Biotopbetreuung aktuell

Biotoppflegemaßnahmen in Boppard-Buchenau inkl. des Naturschutzgebietes „Hintere Dick – Eisenbolz“

In ihrer Funktion als Obere Naturschutzbehörde des Landes Rheinland-Pfalz ist es eine der wichtigsten Aufgaben der SGD Nord, bei uns lebende Tiere und Pflanzen zu schützen. Dazu gehört die Pflege ökologisch hochwertiger Biotope, denn durch gezielte Maßnahmen können diese artenreichen Lebensräume optimal auf die Bedürfnisse der dortigen Flora und Fauna abgestimmt werden. Durch die Erhaltung der Lebensräume wird also auch die Artenvielfalt erhalten.

Die Ausrichtung der Optimierungsmaßnahmen liegt auf besonders schutzbedürftigen Arten, für die etwa das Zuwachsen einer Wiese bedeutet, dass sie ihren Lebensraum verlieren. Sie sind nicht an die Lebensbedingungen dieser neu entstandenen Landschaft angepasst. Die Tiere verschwinden aus dem jeweiligen Gebiet und sterben schlimmstenfalls langfristig aus.

Im Rahmen der Biotoppflege sorgt die SGD Nord somit dafür, dass unsere heimischen Arten in ihren angestammten Lebensräumen möglichst optimale Bedingungen vorfinden. Konkret bedeutet dies, dass die SGD Nord vor Ort Fachleute beauftragt, die unter anderem Wiesen mähen, wuchernde Sträucher zurückschneiden bzw. entfernen oder zusätzliche Bäume pflanzen. Alles wird so hergerichtet, dass sich die bedrohten Arten in diesem Gebiet wohlfühlen. Um ein solches Projekt handelt es sich auch bei den Biotoppflegemaßnahmen in Boppard-Buchenau.

Die historische Streuobstlandschaft

Auf alten Luftbildaufnahmen und Fotos ist zu sehen, dass oberhalb von Boppard einmal eines der flächenmäßig größten Streuobstgebiete im nördlichen Rheinland-Pfalz zu finden war. In der Fachsprache werden solche Landschaften auch als Halboffenlandgebiete bezeichnet. Gemeint ist damit eine waldfreie Fläche, die landwirtschaftlich genutzt wird – in diesem Fall zum Obstanbau.

Durch die Nutzung und Pflege der Streuobstlandschaft wuchsen zwischen den Bäumen nur kleinere Pflanzen, wie Gräser und Kräuter. Diese Freiflächen waren folglich ein Vermächtnis der historischen Bewirtschaftung.

Derartige Lebensräume sind bei vielen heimischen Arten sehr beliebt, sodass sich in dieser Kulturlandschaft eine lebendige Vielfalt an Tieren und Pflanzen entwickelt hat.

Die Entwicklung der Landschaft

Die Nutzung der Obstbäume wurde im Laufe der Zeit aufgegeben, was damit einherging, dass auch die Pflege der Landschaft abebbte. Die ehemals freien Flächen zwischen den Obstbäumen wuchsen nach und nach zu. Dieser Prozess wird als Verbuschung bezeichnet, weil sich vor allem Büsche in solchen offenen Bereichen ausbreiten. Konkret handelt es sich im Bopparder Umland um Arten wie Brombeere, Schlehe, Hartriegel und Weißdorn.

Solch eine Entwicklung bleibt nicht ohne Folgen. Zahlreiche Eigenschaften der Landschaft ändern sich durch die Verbuschung. Durch das Dickicht dringt viel weniger Sonne in die darunter liegenden Flächen, bisher nicht vorkommende Arten erschließen den Raum – kurzum: die Lebensumstände wandeln sich in Gänze. Das ist ein existenzbedrohendes Problem für jene Pflanzen und Tiere, die auf Halboffenlandgebiete angepasst sind. Sie verlieren ihren Lebensraum.

Auch für die Menschen hat der Verlust der Freiflächen direkte negative Auswirkungen. Wildschweine haben die verbuschte Landschaft als Rückzugsort für sich entdeckt, was in gefährlichen Begegnungen auf den angrenzenden Wanderwegen münden kann. Zudem liegt dieser neu erschlossene Wildschweinlebensraum deutlich näher an den Bopparder Wohnsiedlungen, was bereits dazu geführt hat, dass die Tiere auf ihrer nächtlichen Futtersuche in die Wohngebiete ausschwärmen und dort ganze Gärten umgraben.

Die bereits durchgeführten Maßnahmen

Mithilfe verschiedener Pflegemaßnahmen soll ein Halboffenlandgebiet mit einzelnen Büschen und Heckenbereichen erzielt werden. Solche Landschaften sind die arten- und individuenreichsten Lebensräume im Zuständigkeitsgebiet der SGD Nord. Um diesen Zustand zu erreichen, müssen einige zugewachsene Bereiche von den wuchernden Büschen befreit werden.

Damit die immer höher werdenden Erlen entlang des Dammigbachs nicht ausbrechen, wurden einige Bäume auf einem etwa 150 Meter langen Teilstück auf Stock gesetzt. Bei diesem Vorgehen handelt sich um eine traditionelle Pflegemethode, im Zuge derer die Bäume einmal komplett heruntergeschnitten werden. Der Wurzelstock bleibt stehen und so bleibt die Uferstabilität vollständig erhalten.

Das Ergebnis dieser Arbeiten sah sehr drastisch aus, doch die Bäume erholten sich schnell. Schon nach kurzer Zeit konnten die frischen Triebe den Bachlauf wieder stellenweise beschatten. Die auf diese Weise erzielte Mischung aus Sonne und Schatten ist ideal für die Fließgewässerlibellen und andere im Wasser lebende Insektenlarven.

Im vorliegenden Fall hat der Schutz der bedrohten Arten oberste Priorität, sodass bei der Wiederherstellung der Kulturlandschaft Kompromisse eingegangen werden müssen. So wurden für manche Pflegemaßnahmen schwere Maschinen benötigt. Diese hinterließen Spuren, die in der ersten Zeit nach ihrem Einsatz deutlich erkennbar waren. Generell stellen die zur Rekultivierung der Fläche erforderlichen Arbeiten einen drastischen Eingriff in die Landschaft dar, was sich gerade unmittelbar nach den Maßnahmen zeigte. Doch die Experten der SGD Nord wissen aus wissenschaftlichen Studien sowie eigener Erfahrung, dass ein einmaliger starker Eingriff mit nachfolgender Ruhephase weniger Schäden hervorruft, als mehrere kleine, über Jahre verteilte Beunruhigungen des Gebietes. Schon binnen einer Vegetationsperiode werden sich die Flächen wieder begrünen – das belegen vergleichbare Maßnahmen aus vergangenen Jahren, zum Beispiel im Naturschutzgebiet „Rheinhänge von Burg Gutenfels bis zur Loreley“.

Bei tieferen Bodenspuren wurde nach Beendigung der Schnittmaßnahmen im Frühjahr 2022 direkt nachgebessert – sie wurden beseitigt, sodass die Vegetation dort wieder fußfassen konnte. Wie erwartet, spross nach den herbstlichen Regenfällen reichlich neues Grün. Im Herbst 2022 wurden die noch offenen Flächen mit regionalem Saatgut eingesät. Durch die lange Trockenheit im Sommer und Frühherbst wäre diese Maßnahme vorher nicht erfolgsversprechend gewesen.

Im ersten Quartal des Jahres 2023 wurden noch einige Entbuschungsmaßnahmen durchgeführt. Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt vor, dass das Entfernen von Gebüschen und anderen Gehölzen bis Ende Februar beendet sein muss, um mögliche Vogelbruten nicht zu gefährden. Die beauftragten Arbeiten konnten jedoch nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. Da die zu diesem Zeitpunkt noch vergleichsweise kalte Witterung Vogelbruten unwahrscheinlich machte, wurde dem beauftragten Unternehmen eine Erlaubnis zur Fortführung der Maßnahmen bis zum 5. März 2023 erteilt – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass jedes Gebüsch erst auf nistende Vögel überprüft wird. Die Arbeiten wurden bis zum vereinbarten Stichtag beendet. Anschließend wurde das angefallene Schnittmaterial verbrannt. Dies ist gängige Praxis und wurde im Vorfeld bei der Stadtverwaltung angezeigt. 

Die nächsten Schritte

Ab 2023 sollen die freigestellten Streuobstbereiche, die aktuell nur noch Altbäume oder Totholz gleichen Alters aufweisen, mit jungen Obst-, Wildobst- und Nussbäumen unterpflanzt werden, um schließlich einen ungleichaltrigen, langlebigen Baumbestand zu erzielen.

Damit der gewünschte Zustand erhalten bleibt, wird die Fläche künftig wieder genutzt bzw. regelmäßig gepflegt. Dazu sind sanfte Methoden, wie mähen und beweiden, ausreichend. Zudem kann – sofern sich Freiwillige vor Ort engagieren möchten – die Bewirtschaftung der Streuobstbäume fortgeführt werden.

Da in einzelnen entbuschten Bereichen nicht mehr ausreichend Samenmaterial im Boden vorhanden war um eine Selbstbegrünung zu ermöglichen, sollen diese zusätzlich mit Regiosaatgut eingesät werden. Weiterhin sollen die im letzten Jahr freigestellten Bereiche durch das Setzen von Holzpfosten für die spätere Beweidung vorbereitet werden.

Die positiven Effekte der Biotoppflege

Insektenexperten aus Krefeld haben in der Hinteren Dick die Anzahl der dort vorkommenden Insektenarten bestimmt. Die Erhebungen fanden vor allem auf jenen Flächen statt, die durch das Land Rheinland-Pfalz gepflegt werden. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Es konnten rund 5.000 Insektenarten in der Hinteren Dick gefunden werden. Damit handelt es sich bei diesem Gebiet um eines der artenreichsten Deutschlands.

Die langfristigen positiven Effekte von Entbuschungsmaßnahmen auf die Insektenpopulation lassen sich am Beispiel „Dörscheider Heide“ belegen. Bei der Fläche handelt sich um ein Teilgebiet des Naturschutzgebietes „Rheinhänge“ bei Kaub). Hier wurde in den letzten drei Jahren über 60 Hektar verbuschtes Gelände in ähnlicher Weise freigestellt. Die Zahl der Segelfalter und anderer wärmeliebender Arten hat sich dadurch mehr als verdreifacht. Mit mehr als 800 bekannten Schmetterlingsarten gilt dieses Gebiet heute als eines der artenreichsten in ganz Mitteleuropa!

Vom Nutzen der Biotoppflege sind auch die lokalen Naturschutzverbände und -organisationen überzeugt. Sie unterstützen die Maßnahmen der SGD Nord ausdrücklich

Die Handlungsgrundlage

Im Rahmen des Projekts „Planung vernetzter Biotopsysteme“ des Landesamtes für Umwelt ist die beschriebene Rekultivierung von Streuobst für diesen Bereich vorgesehen. Bei dieser Leitlinie handelt es sich um die wichtigste Grundlage für die durch die SGD Nord in Auftrag gegebenen Maßnahmen.

Auch für den Bereich, der im Naturschutzgebiet liegt, gibt es eine rechtliche Grundlage, die die Erhaltung und Entwicklung der Streuobstwiesen einfordert. Nachzulesen ist dieser Schutzzweck im §3 der Rechtsverordnung. Dort werden neben allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und landeskundlichen Gründen zwei weitere Argumente aufgeführt, die für Streuobstbestände in diesem Gebiet sprechen:

  1. Sie bieten hier seltenen, in ihrem Bestand bedrohten Pflanzen- und Tierarten und den entsprechenden Lebensgemeinschaften einen Lebensraum.
  2. Sie haben landschaftsbestimmenden und ortsbildprägenden Charakter.

Die Maßnahme wird im Rahmen der „Aktion Grün“ des rheinland-pfälzischen Klimaministeriums unter Mithilfe der Biotopbetreuung des Landkreises durchgeführt.

Ansprechperson

N.N.