Aalschutzinitiative Mosel
Der Aal ist während seines komplexen Lebenszyklus vielen nachteiligen Einflüssen wie Umweltverschmutzung, Überfischung der Jungaalbestände (Glasaale gelten als Delikatesse!), Klimaveränderungen, Krankheiten, Parasiten und Fressfeinden ausgesetzt. Seit 1987 steht der Aal auf der „Roten Liste“ gefährdeter Arten unter Schutz, heute gelten seine Bestände vor allem deshalb als „stark gefährdet“, weil das Glasaalaufkommen an den Küsten auf zwei bis fünf Prozent der Menge zu Beginn der 1960´er Jahre zurückgegangen ist.
Innerhalb des Flusssystems des Rheins und damit verbunden auch der Mosel behindern aber vor allem Stau- und Wasserkraftanlagen ihren zur Reproduktion und Arterhaltung notwendigen natürlichen Auf- und Abstieg. Um die Aal-Population im Flusssystem des Rheins vor dem Aussterben zu bewahren, wurde in Kooperation mit der innogy SE als Betreiberin der Wasserkraftanlagen die „Aalschutzinitiative“ gegründet.
Lebenszyklus des Aals
Als katadromer Wanderfisch (von griech. κατά katá „hinunter“) wächst der Aal im Wesentlichen im Süßwasser heran. Im Alter von etwa acht Jahren wandert der europäische Aal die Flusssysteme hinab und zieht zu seinen etwa 7.000 km entfernten Laichplätzen in der Sargasso-See im Westatlantik. Nach dem Laichen sterben die Elterntiere ab, während die Larven mit dem Golfstrom an die europäischen Küsten driften, die sie im Alter von etwa zwei Jahren in durchsichtiger Aalgestalt („Glasaal“) erreichen. Als pigmentierte „Steigaale“ beginnen sie mit dem Aufstieg in die Süsswasserflusssysteme, wo sie zu „Blankaalen“ heranwachsen.
Wanderhindernisse an Rhein und Mosel
© Dr. Jörg Schneider, Büro für Fisch- u. Gewässerökologische Studien
Bereits durch den Bau von Hochwasser- und Sturmflutschutzwehren im niederländischen Rheindelta wird der natürliche Einstieg von Glas- und Steigaalen in das Gewässersystem des Rheins behindert, was gemeinsam mit dem z. T. dramatischen Rückgang des natürlichen Glasaalaufkommens (Jungaale) in den Ästuaren der großen europäischen Flusssysteme einen Rückgang des natürlichen Aalaufstiegs innerhalb des Flusssystems des Rhein zur Folge hatte.
Der Ausbau der Mosel zu einer Großschifffahrtsstraße zwischen 1958 und 1964 tat ein Übriges, um den natürlichen Aufstieg in die Gewässersysteme von Mosel und Saar weitestgehend zu unterbinden. In beiden genannten Gewässersystemen (Rhein und Mosel/Saar) gehört der Aal zur potentiell natürlichen Fischfauna und findet auch aktuell noch in erheblichem Umfang geeignete Habitate vor.
Schäden durch Wasserkraftanlagen
Beim Fischabstieg in Richtung des Westatlantik führten insbesondere die zugleich mit dem Moselausbau zur Großschifffahrtsstraße errichteten zehn Laufwasserkraftanlagen zu nicht tolerierbaren Schäden an Fischen durch die Turbinen. Nur teilweise kehren die Aale am Rechen um und können je nach Wasserabfluss andere Abwanderungswege (Wehr, Schleuse) nutzen. Zumal der Aal jedoch überwiegend der Hauptströmung am Gewässergrund folgt, gelangt er dann vor die Einläufe der Kraftwerksturbinen. Weil Schäden durch die schnelldrehenden Turbinenflügel wesentlich von der Körperlänge des Fisches abhängen, sind die abwandernden Aale mit einer Körperlänge von durchschnittlich 70 Zentimetern besonders gefährdet.
Gründung der „Aalschutzinitiative“
Bereits im Jahre 1995 wurde deshalb zwischen dem an der Mosel fischereiberechtigten Land Rheinland-Pfalz und damaligen RWE Power AG (Betreiberin der Wasserkraftanlagen) eine Vereinbarung über die gemeinsame „Aalschutz-Initiative“ getroffen. In deren Rahmen wird unter Beteiligung wissenschaftlicher Institutionen nach Möglichkeiten gesucht, die Fischschäden zu minimieren und den Aalbestand der Mosel unter Berücksichtigung der ökonomischen Rahmenbedingungen der Wasserkraft zu stärken.
Die Vereinbarung sieht die Finanzierung von Sofortmaßnahmen (Befischungen und Fischtransporte) und Untersuchungen über technische Möglichkeiten zur Minimierung der Fischschäden unter Beteiligung wissenschaftlicher Institutionen (u. a. RWTH Aachen, Universität Konstanz, FH Trier) sowie des Aalbesatzes mit der jährlichen Entschädigungssumme von rund 220.000 Euro der innogy SE an das Land Rheinland-Pfalz, vor. Die Hälfte der Finanzmittel steht dem Land Rheinland-Pfalz für fischereiliche Maßnahmen wie z. B. Aalbesatz zur Verfügung. Die andere Hälfte kommt Maßnahmen und Projekten zum Aalschutz zugute, von denen etwa zwei Drittel für die Verbringung von Aalen in den Rhein und ca. ein Drittel für wissenschaftliche Untersuchungen und Studien verwendet wurden. Beide Partner der Aalschutz-Initiative entscheiden gemeinsam mit der Beratung von Fachinstitutionen über die sachgerechte Verwendung der Mittel. Das ursprünglich bis zum Jahr 2000 befristete Projekt wurde verlängert.
Schon seit der Stauregulierung und dem Ausbau der Mosel zur Großgewässerstraße wird der Fluss zur Bestandserhaltung in geeigneten Gewässern bzw. Gewässersystemen regelmäßig mit Aalen besetzt. Damit soll sowohl – mit Einschränkungen – eine fischereiliche Bewirtschaftung ermöglicht werden, als auch das Abwandern einer hinreichend großen Zahl an laichreifen Blankaalen in den Westatlantik zum Erhalt der Art gewährleistet bleiben.
a) „Fischen und umsetzen“
Um den absteigenden, d. h. abwanderungswilligen Blankaalen den Weg in die Sargassosee (Westatlantik) zu bahnen, werden sie in den Moselstaustufen vor den Wasserkraftanlagen mittels Reusen gefangenen und zunächst schonend gehältert. Einmal wöchentlich werden sie schließlich mit einem Fischtransportfahrzeug an den Rhein bei Linz verfrachtet und in den hindernisfreien Rhein wieder ausgesetzt, um die Laichwanderung in den Westatlantik fortsetzen zu können. Erstmalig wurden die Sofortmaßnahmen in der Phase des herbstlichen Abwanderungsmaximums von August bis November im Jahr 1997 durchgeführt.
Mit der „Aalschutzinitiative“ kann der Versuch der Quantifizierung der jährlichen Blankaalabwanderung aus dem Rheinsystem durch Farbmarkierung der Moselaale und Wiederfangexperimente in Nordrhein-Westfalen bzw. Sichtung der Berufsfischereifänge in den Niederlanden unternommen werden.
Den Aalfang haben die Berufsfischereibetriebe an Mosel und Saar übernommen, die als Pächter die Stauhaltungen fischereilich bewirtschaften. Die nachfolgende Tabelle (Stand November 2015) gibt einen mengenmäßigen Überblick über die bisher gefangenen und ausgebrachten Blankaale:
Jahr | Fang (kg) |
---|---|
1997 1998 | 1.174 1.923 |
1999 2000 | 3.418 4.612 |
2001 2002 | 5.803 4.735 |
2003 2004 | 3.939 3.584 |
2005 2006 | 5.785 5.558 |
2007 2008 | 7.357 5.790 |
2009 2010 | 4.030 3.850 |
2011 2012 | 5.095 4.496 |
2013 2014 | 3.525 4.099 |
2014 2015 | 5.390 5.151 |
2017 | 5.197 |
Durchschnittlich wurden 4,5 - 5 t Aal pro Fangsaison abgefischt und umgesetzt, was einer Menge von ungefähr 12.000 - 15000 Blankaalen entspricht. Bei einer geschätzten Gesamtaalpopulation in der Mosel von ca. 200.000 Exemplaren müssten zum Erhalt einer natürlichen Reproduktionsrate ca. 25 % dieser Aale abwandern. Somit erfasst die Aalschutzinitiative mittlerweile gut 1/3 der abwanderungswilligen Blankaale, was von allen Beteiligten als Erfolg gesehen wird.
b) „Abweisen und Umlenken“
Um das Eindringen von Aalen in die Turbine zu verhindern, wurden alternative Rechenkonstruktionen (Schrägrechen, geneigte Rechen) in Verbindung mit der Anordnung von Bypässen unter Berücksichtigung der vor den Turbinen auftretenden Strömungsgeschwindigkeiten und deren Verteilung untersucht und entwickelt. Ziel war es, die Aale mit dem Rechen effektiv zu einem Bypass zu lenken, durch den die Aale dann am Kraftwerk vorbei abwandern können. Zugleich galt es, die Energieverluste am Rechen zu minimieren. Insbesondere das immer noch vorhandene Wissensdefizit über das Verhalten der Aale macht eine Aussage über die Effizienz des Systems derzeit aber unmöglich.
c) „Früherkennen und Steuern“
In Ergänzung zu den Möglichkeiten, das Einschwimmen der Aale in die Turbinen mittels physikalischer Barrieren zu unterbinden, wird aktuell ein fischschonender Betrieb der Wasserkraftanlagen während der höchsten Wanderungsaktivitäten geprüft. Hierbei soll durch eine gezielte Beaufschlagung der Wasserkraftturbinen eine möglichst verletzungsfreie Passage des Aals ermöglicht werden. Um das Einsetzen von Wander- Ereignissen möglichst punktgenau identifizieren zu können, wird derzeit der Einsatz von mit Detektoren versehenen Fangreusen in der Mosel untersucht, da ein mathematisches Vorhersagemodell zur Abwanderung bisher nicht entwickelt werden konnte. Durch die Kombination eines fischangepassten Managements der Turbinen mit dem Verbringen von adulten Aalen in den Rhein („Fischen und umsetzen“) hofft die Aalschutzinitiative einen angemessenen Aalschutz im Umfeld der Wasserkraftanlagen zu bewirken. Dazu ist ein neues, auf drei Jahre ausgelegtes Projekt zur Entwicklung eines Frühwarnsystems in Kooperation mit der Universität Luxemburg und der FH Trier im Jahr 2013 angelaufen.
Wichtiger Teilbeitrag für den Erhalt der Gesamtpopulation
Die Maßnahmen im Rahmen der Aalschutzinitiative, an denen jetzt auch Nordrhein-Westfalen sowie die Niederlande partizipieren, entsprechen den Vorgaben der im September 2007 in Kraft getretenen EG-Aalverordnung und dienen dem Erreichen der Ziele des Aalmanagementplans für die Internationale Flussgebietseinheit Rhein (FGG Rhein).
Dies kann aber nur ein Teilbeitrag zu einem umfassenden Aalschutz in Deutschland und Europa sein. Die Konkurrenz und der Preiskampf um die Restbestände an Jungaalen sind erheblich und sollen künftig über eine Änderung der EU-Aalverordnung stärker reglementiert werden. Im Hinblick darauf hat die EU-Kommission 2014 einen Bericht zur Durchführung der bestehenden Verordnung vorgelegt. Die gesicherte und schadlose Abwanderung eines Mindestanteils von Blankaalen aus den Aalpopulationen der europäischen Flussgebietseinheiten soll ebenfalls helfen, die Bestände des Europäischen Aals zu erhalten. Die Aalschutzinitiative an der Mosel will hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.