Verwaltung trifft Wissenschaft
Unter dem Titel „Verwaltung trifft Wissenschaft“ stellt Präsident Dr. Ulrich Kleemann im zweimonatigen Rhythmus jeweils ein Thema aus dem vielfältigen Aufgabenfeld der Struktur– und Genehmigungsdirektion Nord in den Mittelpunkt und lädt dazu Gastreferenten aus Wissenschaft und Verwaltung ein. Die Veranstaltungsreihe soll neben dem Austausch aktueller Informationen zwischen Lehre und Praxis eine Gelegenheit zum Kennenlernen des interessanten Aufgabenspektrums der Struktur– und Genehmigungsdirektion Nord bieten.
© SGD Nord
Die Zahl der Insekten hat dramatisch abgenommen – auch im nördlichen Rheinland-Pfalz. Dass es sich hierbei um ein Problem handelt, das auch Auswirkung auf unser Leben hat, machten drei Experten während der jüngsten Veranstaltung aus der Reihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord klar. Wegen der Corona-Pandemie fand die Vortragsveranstaltung in einem fast leeren Saal statt, Gäste konnten nicht geladen werden. Dafür wurden die Vorträge live auf dem YouTube-Kanal der SGD Nord übertragen. Auf diesem steht das Video auch weiterhin zur Verfügung.
Als Experten konnte SGD-Nord-Präsident Uwe Hüser Prof. Dr. Klaus Fischer von der Universität Koblenz-Landau, Prof. Dr. Axel Hochkirch von der Universität Trier und Dr. Axel Schmidt von der bei der SGD Nord angesiedelten Oberen Naturschutzbehörde gewinnen. Um Maßnahmen zu entwickeln, mit denen man der negativen Entwicklung entgegensteuern kann, arbeitet die SGD Nord ohnehin eng mit der Wissenschaft zusammen. Durch ihre Vorträge zeichneten die Experten aus Wissenschaft und Verwaltung nun gemeinsam ein Bild der aktuellen Lage, erklärten, was nötig ist, um die Situation zu verbessern und was bereits dafür getan wird.
Prof. Fischer ging in seinem Vortrag auf den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Insektenrückgang ein. Er erklärte, dass der Erhalt der Artenvielfalt abwechslungsreiche, vielfältig strukturierte Landschaften benötige. „Landwirtschaftlich extensiv genutzte und ungenutzte Flächen sind besonders wertvoll für Insekten“, so der Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau. Der Naturschutz in der Agrarlandschaft erfordere eine angemessene Honorierung von entsprechenden (durch die Landwirte durchgeführte) Maßnahmen, die sich unter anderem auch dadurch zeigen müsste, dass die Menschen bereit seien, angemessene Preise für Lebensmittel zu bezahlen.
Prof. Hochkirch erklärte, dass die durch den Menschen verursachte globale Umweltveränderungen unter den Insekten Gewinner und Verlierer hervorbringen würden. Als Beispiel für einen Verlierer nannte er etwa den Sumpfgrashüpfer, der der bei uns zu einem Großteil bereits ausgestorben sei. „Die Gewinner sind meist ökologisch nicht sehr anspruchsvoll, während die Verlierer hoch spezialisiert sind“, so der Forscher der Universität Trier. Mit einer strategischen Naturschutzplanung könne man das Aussterben von Arten verhindern.
Wie Dr. Axel Schmidt verdeutlichte, spielt die SGD Nord bei der Planung und Umsetzung des Naturschutzes im nördlichen Rheinland-Pfalz eine tragende Rolle – etwa indem sie Maßnahmen, durch die Lebensräume und Ökosysteme erhalten bleiben und wiederhergestellt werden, fachlich begleitet und entsprechende Fördergelder bereitstellt. Er wies darauf hin, dass auch Naturschutzgebiete und Natura-2000-Gebiete Teil unserer Kulturlandschaft sind und daher ebenso wie diese von Schadstoffeinträgen und insbesondere vom Landschaftswandel betroffen sind. „Dies spiegelt sich in der Veränderung der Insektenfauna, insbesondere im Verlust der an spezielle Lebensraumtypen angepassten Arten in den Naturschutzgebieten wider“, erklärte der Experte der SGD Nord. Zur langfristigen Erhaltung ihrer Struktur und ihres ökologischen Wertes sei deshalb auch hier eine angepasste Erhaltungspflege durch Bewirtschaftung erforderlich. „Dies ist eine Pflichtaufgabe der Oberen Naturschutzbehörde“, so Dr. Schmidt.
Wer den Livestream verpasst hat, kann sich das Video der Veranstaltung auch jetzt noch auf dem YouTube-Kanal der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord anschauen. Die Adresse lautet https://www.youtube.com/watch?v=G0BQWqzax4w.
Die Präsentationen finden Sie hier:
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„Wird das Trinkwasser bald knapp? Der Klimawandel und seine Folgen“ – unter diesem Titel lief die jüngste Auflage der Veranstaltungsreihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz. Aufgrund der Corona-Pandemie mussten die beiden Referenten ihre Vorträge vor einem fast leeren Saal halten. Gäste konnten nicht eingeladen werden. Stattdessen wurde die Veranstaltung erstmals per Livestream auf dem YouTube-Kanal der SGD Nord übertragen. Dort steht das Video auch weiterhin zur Verfügung.
Thematisch ging es nicht nur ums Trinkwasser, sondern auch um viele andere Auswirkungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Als Gastreferenten konnte SGD-Nord-Präsident Dr. Ulrich Kleemann mit Dr. Ulrich Matthes einen Experten auf diesem Gebiet gewinnen. Der Leiter des Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz, das zu dem Thema selbst forscht, aber auch Anpassungsstrategien entwickelt, informierte in seinem Vortrag über die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf das nördliche Rheinland-Pfalz.
„Die Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesundheit nehmen zu und sind vielschichtig: von direkter Betroffenheit durch Hitze bis zu allergenen Pflanzen und Krankheiten, die von Vektoren wie neuen Mückenarten übertragen werden“, so Dr. Matthes. Extreme Wetterereignisse wie Starkregen würden infolge des Klimawandels vor allem intensiver und womöglich auch häufiger werden. „Und sie können überall auftreten“, erklärt Matthes.
Die Raumordnung und Landesplanung erfüllt aus seiner Sicht eine unverzichtbare Querschnittsfunktion und stellt die regionalen Weichen für die Anpassung an den Klimawandel. Matthes: „Eine zukunftsfähige, nachhaltige Stadtentwicklung vereint Klimaschutz und Anpassung an die Klimawandelfolgen. Der Schlüssel auf der lokalen Ebene ist eine blau-grün-beige Stadtentwicklung: blau für Wasser, grün für Stadtgrün und beige für nachwachsende Rohstoffe wie Holz.“
Auch die Arbeit der SGD Nord wird in vielen Bereichen durch den Klimawandel beeinflusst. Das betrifft etwa den Naturschutz, die Landesplanung, aber in großem Maße auch die Wasserwirtschaft. Joachim Gerke, der Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz bei der SGD Nord, nahm daher den Faden von Dr. Matthes auf und ging darauf ein, wie sich der Klimawandel auf die Wasserwirtschaft auswirkt.
Gerke geht zum Beispiel davon aus, dass es langfristig zu einer Minderung der Grundwasserneubildung kommt. Daher sagt er: „Die Sicherstellung der Versorgung mit Trinkwasser in ausreichender Menge, von guter Qualität und für jeden bezahlbar wird eine der großen Herausforderungen der Wasserwirtschaft sein.“ Gerke betont, dass es sich bei der Anpassung an den Klimawandel um einen „dynamischen Prozess“ handele. „Wir müssen ihn heute beginnen. Nichts tun wird teuer“, so der SGD-Abteilungsleiter.
Wer den Livestream verpasst hat, kann sich das Video der Veranstaltung auf dem YouTube-Kanal der SGD Nord anschauen. Die Adresse lautet https://s.rlp.de/UQwUn
Die Präsentationen finden Sie hier:
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Laubfrosch, Gelbbauchunke und Kreuzkröte geht es schlecht. Ohne Unterstützung durch den Menschen werden viele Amphibienarten bei uns nicht überleben können. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord will dieser Entwicklung als Obere Naturschutzbehörde entgegenwirken und arbeitet im Kampf um den Erhalt bedrohter Arten eng mit der Wissenschaft zusammen. Wie die Situation derzeit aussieht und was getan wird, um diese zu verbessern, darum ging es bei der jüngsten Auflage der Veranstaltungsreihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ im Hauptgebäude der SGD Nord in Koblenz.
„Sind Sie noch zu retten? Amphibienschutz am Beispiel der Gelbbauchunke“ – so lautete der Titel der Veranstaltung, zu der SGD-Präsident Dr. Ulrich Kleemann zwei Referenten eingeladen hatte: Im großen Sitzungssaal der Behörde gaben Stefan Backes von der SGD Nord und Alena Hantzschmann von der Universität Koblenz-Landau den zahlreich erschienenen Gästen Einblicke in ihre Arbeit. Dr. Kleemann verwies auf den jüngsten Bericht des Biodiversitätsrats, wonach weltweit 40 Prozent aller Amphibienarten bedroht sind. „Wir tragen in Deutschland einen sehr großen Teil der Verantwortung für den Erhalt von Amphibien“, betonte er.
Dass die Situation ernst ist, machten Backes und Hantzschmann klar: „Die Gelbbauchunke hängt sozusagen schon am Tropf, ohne unsere Hilfe wird die Art bei uns nicht überleben können“, erklärte Backes. „Dort, wo Panzer oder Bagger verschwunden sind, haben für die Gelbbauchunken und andere Pionierarten die Problem angefangen.“ Soll heißen: Amphibien wie der Gelbbauchunke sind im nördlichen Rheinland-Pfalz in den vergangenen 40 Jahren viele Lebensräume beziehungsweise die von ihnen benötigten Laich- und Aufenthaltsgewässer verlorengegangen.
Geeignete Habitate fanden sie oft nur noch auf militärischen Übungsplätzen wie etwa der Schmidtenhöhe in Koblenz oder in Abbaugebieten. Da diese Nutzung nun ebenfalls zurückgegangen ist und viele Gewässer durch den Klimawandel ausgetrocknet sind, haben es Gelbbauchunken und Co. schwer, einen geeigneten Raum zum Leben zu finden.
Aufgeben will man den Patienten aber natürlich nicht. So werden Laich- und Aufenthaltsgewässer unter Mithilfe der Biotopbetreuer zum Beispiel regelmäßig neu angelegt oder revitalisiert. Im Projektraum Westerwald gibt es zudem ein mehrjähriges Amphibienschutzprojekt der SGD Nord, das mit EU-Mitteln gefördert wird. Um die Schutzmaßnahmen zu optimieren, greifen die Mitarbeitenden der SGD Nord zudem regelmäßig auf Forschungsergebnisse zurück. „Durch die Erkenntnisse, die uns von den Universitäten Koblenz und Trier zur Verfügung gestellt werden, können wir den Amphibienschutz in der Praxis besser machen“, sagte Backes.
Forschungsergebnisse liefert zum Beispiel Alena Hantzschmann. Die Biogeowissenschaftlerin promoviert an der Universität Koblenz-Landau derzeit zur Populationsökologie der Gelbbauchunke. Den Besuchern von „Verwaltung trifft Wissenschaft“ erklärte sie beispielsweise, dass die Populationsdynamik der Tiere stark vom Wetter abhängt, dass die Gelbbauchunken-Populationen im Westerwald voneinander isoliert leben, dass die hier heimischen Tiere eine vergleichsweise geringe Lebenserwartung haben und dass die Unken insgesamt nur wenige Möglichkeiten haben, sich auszubreiten. „Schutzmaßnahmen müssen in kurzen Intervallen erfolgen und der zunehmenden Trockenheit im Sommer angepasst sein“, erklärte Alena Hantzschmann und sprach von einem Drei-Jahres-Zyklus.
Erkenntnisse, die den Naturschützern die Schwierigkeit der Aufgabe vor Augen führt, die aber wichtig sind, um an den richtigen Stellen ansetzen zu können, etwa um voneinander isolierte Lebensräume zu vernetzen. Dabei setzen die Mitarbeitenden der SGD auch auf die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirtschaft. Durch die Kooperation mit dem Bundesverband Keramische Rohstoffe und Industrieminerale und Abbaubetrieben sei schon sehr viel erreicht worden, betonte Backes. „In der Fläche ist aber noch deutlich Luft nach oben.“
SGD-Präsident Dr. Ulrich Kleemann hält die Zusammenarbeit von Behörden, Wirtschaft und Wissenschaft für sehr wichtig. „Wenn es um den Schutz von Umwelt und Natur geht, sollten alle an einem Strang ziehen. Nur so werden wir das bestmögliche Ergebnis erzielen“, sagte Kleemann. Es sei aber wichtig, dass die Fäden irgendwo zusammenlaufen. Und in dieser Hinsicht sehe er die SGD Nord in der Pflicht – damit es Laubfrosch, Gelbbauchunke und Kreuzkröte vielleicht bald wieder etwas besser geht.
Impressionen von der Veranstaltung finden Sie in der Mediathek.
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Um einen attraktiven Lebensraum zu entwickeln, bedarf es eines Plans, eines gemeinsamen Plans. Denn was macht eine lebenswerte Region aus? Ein gutes Bildungs-, Kultur und ÖPNV-Angebot, eine ausreichende medizinische Versorgung, gute Voraussetzungen für Wirtschaftsunternehmen, ein vielfältiges Angebot an Arbeitsplätzen und Einkaufsmöglichkeiten, eine gesunde Umwelt, Familienfreundlichkeit … Zu erreichen ist das alles nur, wenn man über Gebietsgrenzen hinaus plant und verstärkt zusammenarbeitet, um Synergieeffekte zu schaffen. Daher sind Raumentwicklungskonzepte wichtig und nötig. In der europäischen Großregion, die Luxemburg, die ehemalige Region Lothringen, das Saarland, Rheinland-Pfalz, die wallonische Region sowie die deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien umfasst, arbeitet man seit Jahren an einem ganz speziellen Raumentwicklungskonzept. Bei der jüngsten Veranstaltung von „Verwaltung trifft Wissenschaft“ in den Räumen der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord konnte Präsident Dr. Ulrich Kleemann einige Projektbeteiligte begrüßen, die über die Herausforderungen, den aktuellen Stand und die Perspektiven des ambitionierten Projekts berichteten.
Zu den 25 Partnern, die im Rahmen des EU-Projekts zusammenarbeiten, gehört auch die SGD Nord. Diese ist mit dem Referat Raumordnung und Landesplanung an der grenzüberschreitenden Raumentwicklung in der europäischen Grenzregion (REKGR) beteiligt, wie Katja Meder von der SGD berichtete. Das Konzept werde seit Januar 2018 über ein EU-Interreg-Projekt gefördert und im Koordinierungsausschuss für Raumentwicklung, einer Arbeitsgruppe des Gipfels der Großregion, mit technischer Unterstützung des Geoinformationssystems der Großregion (GIS-GR) erarbeitet. „Seit 2010 wurde eine Studie zur Entwicklung einer grenzüberschreitenden polyzentrischen Metropolregion (GPMR) in der Großregion erstellt, deren Umsetzung das große Ziel des Raumentwicklungskonzepts darstellt“, so Meder. Darüber hinaus wurden die für die Entwicklung der Großregion vorrangigen Verkehrsprojekte sowie eine vorbereitende Studie zum Thema Wirtschaft erstellt und später evaluiert. So konnten im Hinblick auf die weitere Erarbeitung des Konzepts Handlungsempfehlungen gegeben werden.
Was besonders zu beachten war und ist, erklärte Marie-Josée Vidal vom luxemburgischen Ministerium für Energie und Raumordnung, der federführenden Stelle: „Um die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Großregion zu steigern, ihre soziale und territoriale Kohäsion zu stärken, müssen sowohl die Schwächen wie auch die Stärken, die sich aus den Entwicklungsdynamiken in diesem gemeinsamen Raum ergeben, erfasst, verstanden, akzeptiert und bearbeitet werden“, so Vidal. Nur so werde es den politischen Akteuren möglich sein, sich dieser im Endspurt stehenden gemeinsamen, grenzüberschreitenden und operationellen Strategie anzunehmen und daraus zusammen, auch im Rahmen eines andauernden partizipativen Prozesses, eine dauerhafte und erfolgreiche Win-win-Partnerschaft zu garantieren. „Zum Wohle des Territoriums und der Gesellschaft“, erklärte Vidal.
Dr. Christian Muschwitz vom ebenfalls beteiligten Raumentwicklungs- und Kommunikationsinstitut „raumkom“ übernahm den wissenschaftlichen Teil des Vortrags und ging auf die Herausforderung des Projekts ein. Das Raumentwicklungskonzept der Großregion müsse mit einer „Zugroßregion“ umgehen, sagte er. „Mit Leben gefüllt werden wird das Konzept vor allem im Kernraum rund um das Großherzogtum Luxemburg und dann vor allem bei wenigen, ausgewählten Themen von besonderer Bedeutung für die regional Beteiligten.“ Muschwitz erläuterte, dass nicht alles durchzusetzen sei. Dass man auch einiges weglassen, andere Themenbereiche fokussieren und Leuchtturmprojekte herausarbeiten müsse. Als mögliches Leuchtturmprojekt im Mobilitätsbereich schlug er zum Beispiel eine Informations-App über öffentliche Verkehrsangebote in der gesamten Großregion vor.
Gastgeber Dr. Ulrich Kleemann sieht in der Erarbeitung solcher Raumentwicklungskonzepte gerade im Hinblick auf künftige gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedürfnisse eine bedeutende Aufgabe – und das nicht nur in der Grenzregion, sondern auch in vielen anderen Regionen des Landes. Er appellierte daher auch an politische Entscheidungsträger. „Es ist wichtig, dass man über die eigenen Gebietsgrenzen hinausdenkt und bereit ist, mit den Nachbarn zusammenzuarbeiten. So wird man am Ende Synergieeffekte schaffen, die den Bürgerinnen und Bürgern nützen“, sagte Kleemann.
Impressionen von der Veranstaltung finden Sie in der Mediathek.
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Straßen beeinflussen unser Leben. Sie können ein Ort zum Wohlfühlen, aber auch ein Ärgernis sein. Sie können ein Ort für Gespräche sein, ein Ort, an dem man sicher ist, an dem es sich lohnt, ein Geschäft zu eröffnen. Ein lebendiger Ort. Unübersichtliche, unattraktive Straßen können einem aber auch das Leben schwer machen. Gerade im Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal mit seinen eng bebauten Ortskernen ist es aber wichtig, dass die Straßen attraktiv und somit lebendig sind – natürlich wegen der Menschen, die dort leben, aber auch wegen der vielen Touristen. Doch wie kann eine attraktive und dennoch praktikable Gestaltung gelingen? Antworten auf diese Frage hatten die Vortragenden, die anlässlich der jüngsten Auflage der Reihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ in die Räume der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz gekommen waren.
Zusammen mit der Hochschule Koblenz sowie dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz und dem hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung hat die SGD Nord mit der bei ihr angesiedelten Initiative Baukultur den „Leitfaden Straßenraumgestaltung“ entwickelt. Das knapp 100-seitige Buch, das sich an Verwaltungen und politische Entscheidungsträger sowie alle Interessierten richtet, zeigt viele Lösungsbeispiele auf. Und Lösungen sollten gefunden werden, wie auch SGD-Präsident Dr. Ulrich Kleemann betont. Er wirbt dafür, bauliche und gestalterische Anreize für ein aktives Straßenleben zu setzen und gleichzeitig Rad- und Fußverkehr, ÖPNV sowie Sharing-Angebote zu stärken. „Die umfangreichen Flächen, die heute noch vom fließenden Verkehr und von parkenden Autos in den Straßenräumen besetzt werden, sind eine Ressource für die Neugestaltung von Straßen und Plätzen. Dadurch wird Straßenleben möglich und wird aus Verkehrsraum wieder lebenswerter Stadtraum“, so Dr. Kleemann.
In die Details gingen die Fachleute bei ihren Vorträgen. „Im Mittelrheintal sind es vor allem die Ortsdurchfahrten, für die innovative und integriert gedachte Konzepte und Umbauten erforderlich werden“, erklärte Prof. Ulrike Kirchner von der Hochschule Koblenz. Dazu gehöre, Geschwindigkeits- und Fahrbahnreduzierungen anzustreben, mehr Platz für Fuß- und Radverkehr sowie Möglichkeiten, die Straße zu überqueren, zu schaffen. Gerade im Hinblick auf die angestrebte Mobilitätswende müsse es bei der Ausbildung von Straßen im bebauten Bereich um die Stärkung der Aufenthaltsqualität und damit um das „menschliche Maß“ gehen.
Prof. Dirk Fischer von der Hochschule Koblenz erklärte, dass barrierefreie Verkehrsanlagen für seh- und gehbehinderte Menschen bei der Planung lebenswerter Straßen ein Muss sind. Bei Innerortsstraßen müsse der große Raumbedarf für den „ruhenden Verkehr“ überdacht werden. „Hier sind intelligente Parkraummanagementsysteme, insbesondere für die Ortszentren zu entwickeln", so Fischer, der auch für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung warb. Denn bei klassifizierten Hauptverkehrsstraßen sei nur in Ausnahmefällen eine Geschwindigkeitsreduzierungen auf unter 50 km/h möglich. Bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h könne aber gerade in engen Ortslagen die Verkehrssicherheit erhöht, die Schadstoffemissionen reduziert und der Straßenraum verträglicher und lebenswerter gestaltet werden. „Lebenswerter Straßenraum“ bedeutet für Prof. Fischer aber auch, qualitätsvolle Materialien und Ausstattungen zu verwenden. „Hierbei ist die farbliche Abstimmung von großer Bedeutung für das gesamte Erscheinungsbild", so Fischer.
Julia Holzemer-Thabor von der SGD Nord (Initiative Baukultur) betonte, dass die Planungsprozesse für die gelungene Straßenraumgestaltung „außerordentlich wichtig“ sind. „Integrierte städtebauliche Prozesse unter frühzeitiger Beteiligung aller betroffenen Fachdisziplinen und mit Einbindung der Bürger versprechen beste Ergebnisse“, sagte sie. In dieser Hinsicht seien Verwaltungen und politische Entscheidungsträger gefragt. Zu den Planungsinstrumente, die qualitätsvolles Bauen – sowohl im Hochbau als auch bei städtebaulichen Aufgaben – sichern, zählte sie unter anderem Workshops und Wettbewerbsverfahren, die sich in vielen erfolgreich durchgeführten Verfahren bewährt hätten.
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Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord befasst sich in der aktuellen Auflage der Veranstaltungsreihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ mit der Rückkehr des Wolfes nach Rheinland-Pfalz. Am Beispiel des Westerwaldes wurden die mit der Rückkehr des Wolfes verbundenen unterschiedlichen, oft widerstreitenden Interessen diskutiert. Dazu begrüßte SGD Nord Präsident Dr. Ulrich Kleemann über Hundert Interessierte aus den Bereichen Naturschutz, Jagd und Schafhalter sowie aus der Forst- und Naturschutzverwaltung. Die Experten gaben wertvolle Hinweise zu Schutzmaßnahmen, dem Wolfsmanagementplan Rheinland-Pfalz und dem flächendeckenden Großkarnivoren-Monitoring.
Gastreferentin Michelle Müller studierte Physische Geografie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und widmete ihre Masterthesis der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland. Dabei untersuchte sie die Eignung des Westerwaldes als Lebensraum des Wolfes und dessen Schadenspotential. Abseits dicht besiedelter Gegenden in den Landkreisen Altenkirchen, Westerwald und Neuwied identifizierte sie geeignete Flächen für Wolfsansiedlungen. Insbesondere an Orten, an denen Nutztiere gehalten werden, hält Müller Übergriffe für wahrscheinlich. Auffällig sei, dass diese in relativ neu besiedelten Gebieten gehäuft auftreten. Da Wölfe die am leichtesten zu überwältigende Beute angreifen, seien flächendeckende Schutzmaßnahmen unabdingbar. Den höchsten Schutz bieten Elektrozäune und Herdenschutzhunde. Letztere haben sich seit Jahrtausenden bewährt. Bei allen Schutzmethoden bedarf es ausreichender Sachkenntnis.
Diplom-Biologe Volker Hartmann, Artenschutzreferent der SGD Nord, erläuterte den Wolfsmanagementplan des Landes Rheinland-Pfalz und die dreigeteilte Zuständigkeit. Die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz entschädigt Nutztierrisse und kümmert sich um die Prävention. Die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft begutachtet alle sonstigen Hinweise, insbesondere Wildtierrisse, und betreibt ein demographisches Monitoring. Die SGD Nord ist Ansprechpartnerin in Sachen Artenschutz und für den Umgang mit Wölfen. Handlungen im Zusammenhang mit dieser streng geschützten Art bedürfen einer artenschutzrechtlichen Genehmigung durch die SGD Nord.
Ergänzt wurden seine Ausführungen durch Diplom Forstingenieur (FH) Stefan Hetger, der bei der SGD Nord unter anderem als koordinierender Ansprechpartner für forstliche Fragestellungen fungiert. Seit Mai 2018 ist der Wolfsexperte ehrenamtlich als Großkarnivoren-Beauftragter für ein Gebiet im landesweiten Großkarnivoren-Monitoring (Luchs/Wolf) aktiv. Er gab interessante Einblicke in die Abläufe der Dokumentation von Hinweisen auf den Wolf und informierte über bisherige Nachweise für dessen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz.
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Foto v.l.n.r.: Prof. Dr.-Ing. Ute Rößner (TH Bingen), Präsident Dr. Ulrich Kleemann (SGD Nord), Jessica Huntscha (SGD Nord)
Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord befasst sich in der aktuellen Auflage der Veranstaltungsreihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ mit den Auswirkungen einer bestimmten Gruppe von Chemikalien auf die Umwelt. Konkret geht es um die Stoffgruppe der PFC, sogenannte per- und polyfluorierte Chemikalien, die aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften in vielen Verbraucherprodukten und Industriebranchen eingesetzt werden. „Es geht um über 3000 verschiedene Stoffe menschlichen Ursprungs, die sich in der Natur anreichern, weil sie nicht abbaubar sind“, erläutert SGD Nord-Präsident Dr. Ulrich Kleemann. „Inzwischen sind sie weltweit nachweisbar und stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Deshalb stehen sie seit Jahren im Fokus unserer Aufmerksamkeit.“
Gastreferentin Professorin Dr.-Ing. Ute Rößner von der Technischen Hochschule Bingen zeigte in ihrem Vortrag „Umweltproblematik per- und polyfluorierter Chemikalien“ die grundlegenden Eigenschaften der Stoffgruppe auf und erläuterte deren Anwendungsbereiche sowie Grenz- und Richtwerte. Durch die hohe thermische, chemische und biologische Stabilität seien die Chemikalien langlebig und in Wasser, Boden, Luft sowie Lebewesen nachweisbar. Aufgrund des großflächigen Eintrags seien im Wasser lebende Organismen besonders belastet. Nur wenn dieser konsequent verringert werde, könne auch die Anreicherung von PFC in der Nahrungskette reduziert werden. Zudem führten punktuelle Einträge, etwa durch die Industrie oder Löschschäume, zu hohen lokalen Belastungen und können aufwändige Sanierungsmaßnahmen nach sich ziehen.
Jessica Huntscha von der Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz Koblenz der SGD Nord bewertete in ihrem Vortrag geeignete Sanierungsmaßnahmen einer PFC-Boden- und Grundwasserbelastung am Beispiel der Konversionsliegenschaft NATO-Flugplatz Hahn. Dort führte die SGD Nord zwischen 2014 und 2016 orientierende Untersuchungen der Gewässer und Regenrückhaltebecken im Bereich des ehemaligen NATO-Flugplatzes Hahn durch. Dabei wurden erhöhte PFC-Konzentrationen festgestellt, die vermutlich aus dem Umgang mit PFC-haltigen Feuerlöschschäumen folgen. Auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse ist von einer Verlagerung der PFC aus dem Schadensherd (Feuerlöschübungsbecken) über den ober- und unterirdischen Niederschlagsabfluss in die Gewässer auszugehen.
Huntscha erläuterte die Beurteilungskriterien für den Gewässerschutz und betonte, dass bisher nur für wenige PFC vorläufige human- und ökotoxikologische Leit- und Orientierungswerte vorliegen. Eine Möglichkeit der Sicherung der Schadensquelle könne eine wasserundurchlässige Versiegelung des Untergrundes aus Asphalt oder Beton sein. Die Sanierung der Oberflächengewässer könnte mit Hilfe eines „Mulden-Drainage-System“ erfolgen, bei dem die ober- und unterirdischen Niederschlagsabflüsse vollständig gefasst und vor Einleitung in die Gewässer gereinigt werden könnten. Angesichts der spezifischen Stoffeigenschaften der PFC werde zur Wasserreinigung bisher vornehmlich Aktivkohle oder Ionenaustauscher eingesetzt. Die beschränkte Wirksamkeit dieser Verfahren hat bereits zur Entwicklung neuer Technologien geführt, die die Eliminationsrate verbessern sollen.
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Foto v.l.n.r.: Ltd. Planer Roland Wernig (SGD Nord), Professorin Dr. Karina Pallagst (TU Kaiserslautern), SGD Nord-Präsident Dr. Ulrich Kleemann
Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord beleuchtete in der vierten Auflage der Veranstaltungsreihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“, wie die Regionalplanung und -entwicklung mit dem grenzübergreifenden Lebenswandel der Menschen Schritt halten kann. „Es ist mir ein großes Anliegen, das Thema der grenzübergreifenden räumlichen Ordnung und Entwicklung der Großregion in das Bewusstsein der Region Mittelrhein zu bringen“, betont Dr. Ulrich Kleemann, Präsident der SGD Nord. „Das ganze Land Rheinland-Pfalz und damit das komplette Direktionsgebiet der SGD Nord gehören zur Großregion. Insofern sollte der Focus für grenzüberschreitende Kooperationen geschärft und entsprechende Fördermöglichkeiten aus dem Interreg-Programm genutzt werden.“
Die Großregion umfasst das Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen, das Großherzogtum Luxemburg sowie die Wallonie und vereint damit fünf Regionen, vier Länder und drei Sprachen. Geografisch ist sie eingebettet in die großen Ballungsgebiete Brüssel, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Basel-Mülhausen und Paris. Der integrierte Kooperationsraum für Bürger, Wirtschaft und Regionen wurde beim ersten Gipfel der Großregion im Jahr 1995 geschaffen. Im Alltag der Menschen in der Großregion spielen nationale Grenzen heute keine Rolle mehr. Diesen sozialen Veränderungen sollten die Planungssysteme im Interesse einer vorausschauenden und planmäßigen Entwicklung Rechnung tragen.
Gastreferentin Professorin Dr. Karina Pallagst von der Technischen Universität Kaiserslautern umriss in ihrem Vortrag „Planung ohne Grenzen? – Raumplanungssysteme in der Großregion“ die grundlegen regionalen Unterschiede bei der Entwicklung der Raumplanung. Sie ging auf die Herausforderungen für die Planung in Grenzregionen ein, die im Wesentlichen in anderen Planungstraditionen und Planungskulturen, einem Mangel an grenzüberschreitendem Wissen über Planungsinstrumente und unterschiedlicher Steuerung bestehen. Möglichkeiten grenzübergreifender Planung sieht sie im Erschaffen kultureller Brücken, der Erkundung und Anwendung neuer Instrumente, der gemeinsamen Entwicklung räumlicher Leitbilder, dem Aufbau starker Netzwerke und Partnerschaften sowie dem Schaffen von Testräumen für territoriale Kohäsion. Pallagst resümierte, dass die Fülle von Planungsinstrumenten zu einer Zergliederung führe. Es bestehe ein hoher Austauschbedarf zu Planungsinstrumenten und den räumlichen Auswirkungen. Nachhaltigkeit müsse als übergreifendes Planungsprinzip etabliert werden, Beteiligung ermöglicht und Netzwerke geschaffen werden.
Roland Wernig, Leitender Planer für die Region Trier, widmete sich unter der Überschrift „Regionalplanung und -entwicklung im grenzübergreifenden Kontext -Anspruch und Wirklichkeit aus dem Blickwinkel der Region Trier“ den praktischen Aspekten. Er verdeutlichte das bestehende System aus regionaler Planung durch die kommunalen Planungsgemeinschaften und die staatlichen Institute der Großregion. Dabei appellierte er an das Erfordernis der grenzübergreifenden Abstimmung. Da die aktuelle Raumentwicklungspolitik der europäischen Kommission auf der Stärkung von Metropolregionen beruht, sollen die dezentralen Potenziale der Großregion ausgebaut werden. Wernig forderte verbindliche Standards für formale grenzübergreifende Beteiligungsverfahren, die sich an wichtigen örtlichen Funktionsbezügen orientieren sollten. Die kommunale Ebene und Potenziale von grenzferneren Räumen, wie dem Mittelrhein oder Kaiserslautern, sollten aktiv eingebunden werden.
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V.l.n.r.: Präsident Dr. Ulrich Kleemann (SGD Nord), Naturschutzreferent Volker Hartmann (SGD Nord), Professor Dr. Klaus Fischer (Universität Koblenz-Landau);© SGD Nord
Wiesenpieper, Braunkehlchen und andere Wiesenbrüter sind in ihrem landesweit wichtigsten Brutgebiet im Westerwald vom Aussterben bedroht. Aus diesem Grund stellt die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in der dritten Auflage ihrer Veranstaltungsreihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ die Frage: „Kann das Aussterben der Wiesenbrüter im Westerwald verhindert werden?“. „Der Nachmittag steht im Zeichen des Dialogs zwischen Wissenschaft, Naturschutz und Landwirtschaft“, erklärt Dr. Ulrich Kleemann, Präsident der SGD Nord. „Die GNOR hat den Hinweis auf die Gefährdung der Lebensräume der Rote-Listen-Arten Braunkehlchen und Wiesenpieper im Westerwald gegeben. Gemeinsam haben wir daraufhin ein Handlungskonzept für das Projekt des Umweltministeriums zum Wiesenbrüterschutz im Westerwald erarbeitet“.
Gastreferent Professor Dr. Klaus Fischer von der Universität Koblenz-Landau informierte in seinem Vortrag über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der alarmierenden Bestandssituation der Wiesenbrüter im Westerwald. Dort hatten diese bis in jüngster Zeit landesweit ihre wichtigsten Brutgebiete. In den letzten Jahren sei ihr Bestand jedoch drastisch zurückgegangen. Beispielsweise habe die Population der Braunkehlchen zwischen 2009 und 2016 um 74,5 % abgenommen und die des Wiesenpiepers sogar um 85,8 %. Fischer weist auf den Zusammenhang von Landnutzung und Bruterfolg hin und nennt fehlende Struktur beziehungsweise fehlende Sitzwarten sowie die Nutzungsintensivierung von Wiesen und Weiden als Hauptgründe für das Verschwinden der Brutpaare.
Den Vögeln fehlen zunehmend geschützte und störungsfreie Nistplätze. Braunkehlchen sind auf offene und gut überschaubare Grünlandflächen angewiesen, die ihnen ausreichend Nahrung wie Insekten bieten. Die Brutzeit des Wiesenbrüters endet je nach Witterung im Juli. Sie bauen ihre Nester auf dem Boden und im Gras. Der Schutz der Wiesenbrüter sei möglich, wenn zusammenhängende Flächen geschaffen würden, auf denen Mahd und Beweidung nicht vor Mitte Juli stattfinden sowie auf Düngung und Pestizide verzichtet würde. „Wir brauchen die Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz“, wirbt Fischer und stellt fest: „Es handelt sich um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, nicht eine der Landwirtschaft!“
Volker Hartmann, Naturschutzreferent der SGD Nord, stellte Projekte zum Wiesenbrüterschutz im Westerwald vor. So wurden zum Beispiel in den vergangenen acht Jahren im Rahmen der Biotopbetreuung allein im Westerwaldkreis ca. 700.000 Euro für Naturschutz im Offenland ausgegeben. Diese Maßnahmen förderten das Überleben der Braunkehlchen im Westerwald maßgeblich, konnten aber auch dort Rückgänge nicht völlig aufhalten. Die SGD Nord hat dem Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten daher ein Pilotprojekt vorgeschlagen, das die Bestände der Wiesenvögel sichern soll, indem gemeinsam mit den lokal wirtschaftenden Landwirten neue Methoden des Vogelschutzes im Offenland erarbeitet werden. Das Handlungskonzept soll Ende Juni durch das Umweltministerium vorgestellt werden.
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V.l.n.r.: Professor Dr. Sören Thiele-Bruhn (Universität Trier), Referatsleiter Dr. Thomas Lenhart (SGD Nord), Präsident Dr. Ulrich Kleemann (SGD Nord); © SGD Nord
Unsere Böden werden in ihrer Bedeutung als Umweltmedium häufig unterschätzt. Deshalb widmete die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord dem Bodenschutz die zweite Auflage der Veranstaltungsreihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“. Unter der Überschrift „Was krabbelt da unter unseren Füßen? Das Leben auf einem Bioreaktor“ geht es um die vielfältigen Funktionen unseres Bodens. „Obwohl wir alle auf intakte und vielfältige Funktionen erfüllende Böden angewiesen sind, findet der Bodenschutz in der Öffentlichkeit eine zu geringe Aufmerksamkeit“, so Präsident Dr. Ulrich Kleemann. „Böden sind gefährdet durch Schadstoffeinträge und den starken Zubau von Siedlungsflächen, der noch weit vom Nachhaltigkeitsziel von weniger als 30 ha/Tag Flächenverbrauch entfernt ist.“ Die SGD Nord ist als Obere Bodenschutzbehörde und Obere Landesplanungsbehörde mit diesem Thema befasst.
Gastreferent Professor Dr. Sören Thiele-Bruhn, Lehrstuhlinhaber und Leiter des Faches Bodenkunde im Fachbereich Raum- und Umweltwissenschaften der Universität Trier, erläuterte die verschiedenen Bodenfunktionen in Forschung und Praxis. Im Mittelpunkt standen die wissenschaftlichen Arbeiten zu Effekten der Schadstoffbelastung auf Böden, der Normung von bodenbiologischen Testmethoden, mit denen die Qualität des Bodens bestimmt werden kann, und Arbeiten zur Bodenfunktionsbewertung. Insbesondere die Erläuterungen zu dezentralem Hochwasserschutz durch angepasste Bodennutzung sind von besonderem Wert für die Praxis. „Dem Vorsorgegedanken zum Schutz wertvoller Böden müsste ein stärkeres Gewicht verliehen werden“, zieht Prof. Dr. Sören Thiele-Bruhn sein Fazit.
Dr. Thomas Lenhart, Leiter der Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz Montabaur der SGD Nord, ergänzte aus dem Blickwinkel der Verwaltung. Er wies auf die im Vergleich zu anderen Umweltmedien geringen gesetzlichen Regelungen zu dessen Schutz hin, insbesondere im Bereich des vorsorgenden Bodenschutzes. Neben den natürlichen Bodenfunktionen war die Neuinanspruchnahme von Flächen zu Siedlungs- und Verkehrszwecken von derzeit rund 66 Hektar pro Tag ein Schwerpunktthema. Diese soll im Sinne eines sparsamen und schonenden Umgangs mit unserem Boden durch den Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung sowie der Entsiegelung und Revitalisierung von Flächen erreicht werden. Das Land Rheinland-Pfalz hat hierzu das Instrument der Schwellenwerte für die Regionalen Raumordnungspläne eingeführt.
Die zählbaren Fakten zum Thema Boden faszinierten die Zuhörerschaft aus den Bereichen Verwaltung, Wissenschaft und Naturschutz. Jedes Gramm Boden enthält Milliarden von Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilze, Algen und Einzeller. In jedem Quadratmeter leben hunderttausende bis Millionen Bodentiere, wie Fadenwürmer, Regenwürmer, Milben, Asseln, Springschwänze und Insekten. Ein Hektar Boden entspricht rund 15 Tonnen Lebendmasse im durchwurzelbaren Bodenraum. Ein Viertel der Arten auf der Erde leben im Boden, aber nur gut ein Prozent davon ist bekannt beziehungsweise erforscht. Im Boden gibt es also wesentlich mehr Organismen als auf dem Boden.
Er regelt die Kreisläufe von Wasser, Luft, organischen sowie mineralischen Stoffen, dient als Lebensraum für Pflanzen, Tiere, Menschen und Mikroorganismen, wird als Rohstofflieferant ebenso genutzt wie für die Land- und Forstwirtschaft und fungiert als Archiv unserer Landschaftsgeschichte. Die Bodenmikroorganismen erbringen vielfältige Dienstleistungen für das Ökosystem, wie zum Beispiel als Beitrag zum Nahrungsnetz und zur Biodiversität, bei der Kontrolle von Pflanzenkrankheiten und dem Bioabbau von Schadstoffen.
Vortrag Prof. Dr. Sören Thiele-Bruhn
Impressionen von der Veranstaltung finden Sie in der Mediathek.
V.l.n.r.: Abteilungsleiter Joachim Gerke (SGD Nord), Vizepräsident Dr. Paul Becker (Deutscher Wetterdienst), Präsident Dr. Ulrich Kleemann (SGD Nord); © SGD Nord
Der Klimawandel und die daraus resultierenden Herausforderungen für die Wasserwirtschaft standen im Mittelpunkt der Eröffnungsveranstaltung zur neuen Reihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ in der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord. „Mit diesem Thema haben wir einen Nerv getroffen“, stellte Präsident Dr. Ulrich Kleemann angesichts des gut besuchten Sitzungssaales fest.“ Die Wasserwirtschaft muss langfristig denken und sich auf die Herausforderungen mit wissenschaftlich fundierten Strategien einstellen. Mit dieser Veranstaltung möchten wir die fachliche Diskussion anstoßen.“
Der Klimawandel ist bereits heute wahrnehmbar. Heißere und trockenere Sommer, mildere und feuchtere Winter, häufig wechselnde Wetterlagen und extreme Wetterereignisse sind Indizien für bereits stattfindende Klimaveränderungen. In Rheinland-Pfalz ist die Jahresmitteltemperatur von 1881 bis 2016 bereits um 1,5 °C angestiegen und liegt damit über dem Bundesdurchschnitt.
Gastreferent Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, widmete sich den Antworten der Meteorologie auf die steigende Zahl von Extremereignissen durch den Klimawandel. Entscheidend seien dabei in erster Linie die Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie die Bereitstellung zuverlässiger Daten. Nach den Berechnungen des DWD ist ab 2050 mit einer deutlichen Zunahme von Temperaturextremen zu rechnen, insbesondere in den Wintermonaten ist eine kontinuierliche Zunahme der Häufigkeit auf das 20-fache zu erwarten. Niederschlagsextreme treten ebenfalls häufiger ein und werden schwieriger vorhersehbar sein.
Die durch den Klimawandel bedingten Herausforderungen an die Wasserwirtschaft in puncto Hochwasserschutz, Abwasserbeseitigung und Trinkwasserversorgung beleuchtete SGD Nord-Abteilungsleiter Joachim Gerke. Wichtig seien ein enger Austausch mit der Wissenschaft und „klimafeste Planungen“, die alle Wege in diesem dynamischen Prozess offen lassen.
Die Wasserwirtschaft muss sich mit der Frage beschäftigen, ob und wie angesichts längerer Trockenperioden die Trinkwasserversorgung sichergestellt werden kann. Verbundsysteme können hier eine Erhöhung der Versorgungssicherheit gewährleisten. Die Bauleitplanung muss sich auf die Herausforderungen durch extreme Niederschläge in Verbindung mit längeren Trockenperioden einstellen.
Zu der Auftaktveranstaltung waren rund 70 Vertreterinnen und Vertretern von Ministerien, Bundes- und Landesbehörden, Kommunen, Stadt- bzw. Verbandsgemeindewerken, Hochschulen sowie Naturschutzverbänden gekommen. Teilweise sogar ganz klimaneutral im Sinne der Veranstaltung per Fahrrad oder Elektroauto.
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